Beim Beten
und bei der Schriftlesung habe ich manchmal Mühe, mich zu konzentrieren. Die
Gedanken gehen spazieren. Ich merke das, rufe mich zur Ordnung, und schon im
nächsten Augenblick bin ich wieder nicht „bei der Sache“.
Das
scheint ein Problem vieler postmoderner Zeitgenossen oder des Menschen ganz
allgemein zu sein. Und doch gibt es eine Sehnsucht zu verweilen, um „aus der
Quelle zu trinken“ – eine Sehnsucht nach Gott. Was also tun? Die längere und
eingehende Betrachtung der heiligen Schrift, vor allem der Evangelien, scheint
mir ein guter Weg zu sein, mit Christus auf Tuchfühlung zu gehen, den
„Geschmack“ seines Gott offenbarenden Erdenlebens zu kosten. Was kann helfen,
beim Text, beim „Bild“ der jeweiligen biblischen Szene und damit bei Christus
zu bleiben?
In meinen
Exerzitien habe ich mich in das tägliche Rosenkranzgebet eingeübt und erfahren,
daß diese schlichte Form der Christusmeditation an der Hand der Gottesmutter
meine Gedanken bei Christus hält oder wieder zu ihm zurückführt. Christus ist
ja mit den „Geheimnissen“ seines Lebens die Mitte eines jeden „Ave Maria“ des
Rosenkranzes. Ich habe einmal die Formulierung gehört, das „Gegrüßet seist du,
Maria“ sei wie eine Monstranz, in deren Mitte Christus ist. Ist dieses Bild
auch vielleicht ein wenig blumig, so stimmt es doch in seinem Inhalt – und
überzeugte mich.
Durch
meine gute Erfahrung mit dem Rosenkranz, den ich nun täglich bete, kam ich auf
den Gedanken, aus den Evangelien Rosenkranzgesätze zu formulieren. Zunächst las
ich immer ein Kapitel des Evangeliums, versuchte zu begreifen, was gesagt
wurde, die Struktur zu durchdringen, das Wesentliche zu ergründen. Für die
Schriftbetrachtung suchte ich nun im Text nach Aussagen über Jesus, aus denen
sich Relativsätze für das Rosenkranzgebet bilden ließen. Dann formulierte ich
aus dem Text fünf Aussagen über Jesus für die fünf „Gesätze“ des Rosenkranzes:
d.h. für die Blöcke von je 10 kleinen Perlen, zu denen man das „Gegrüßet seist
du, Maria“ betet. Immer nach dem Namen „Jesus“ fügte ich Relativsätze ein
(z.B.: „der für uns geboren worden ist.“). Diese Relativsätze („Geheimnisse“)
entnahm ich also dem Bibeltext und gewann so quasi das Jesus-Konzentrat des
Evangeliums. Mit diesem Rosenkranz wurde es mir nun leicht, den Erlöser zu
betrachten, wie der heilige Text ihn verkündet.
Als ich
Pfarrer einer Pfarrei wurde, in der ich jeden Sonntag zu predigen hatte, konnte
ich meine bisherige Art der Predigtvorbereitung nicht beibehalten. Bis dahin
hatte ich meine Predigten in der Regel schriftlich ausgearbeitet. Die Zeit
hierfür hatte ich als Pfarrer nicht mehr. Von den Rosenkranzgeheimnissen zu den
einzelnen Kapiteln der Evangelien her kam ich auf den Gedanken, zur
Predigtvorbereitung das Entsprechende mit den Evangelienabschnitten der
Sonntagsmesse zu tun.
Ich
entdeckte, daß der große Romano Guardini dasselbe bereits für die Sonntage der
alten Leseordnung getan hatte – seine Betrachtungssätze habe ich hier mit
aufgenommen, wenngleich sie an einigen Stellen korrigiert werden mußten, was am
entsprechenden Ort angemerkt ist. Das liegt daran, daß Guardini zur Betrachtung
anstelle des „Gegrüßet seist du, Maria“ ein an Christus gerichtetes Gebet
formuliert hat, das sich aber, soweit ich sehe, nicht durchgesetzt hat. Ich
verwende darum das Ave Maria, und so mußten Betrachtungssätze grammatisch
angepaßt werden.
Für die
neue Leseordnung Pauls VI. habe ich die Geheimnisse jeweils vor dem
entsprechenden Sonntag formuliert. Sie sind weit weniger „wohlgesetzt“ und
erreichen nicht annähernd die poetische Vollkommenheit derer Guardinis, da sich
sich enger an den biblischen Text halten, denn sie sollen der
Schriftbetrachtung dienen. Ich habe diese Sätze auf einen Zettel geschrieben
und die Woche über als Vorbereitung auf die Sonntagspredigt gebetet. Dann noch
ein Blick in einen Kommentar, ein Gebet um den Heiligen Geist, und in der Regel
sind die Predigten einigermaßen gelungen, wobei dieses Urteil mir natürlich
nicht zusteht.
Für die
Sonntagsevangelien ergeben sich oft mehr als fünf Geheimnisse. Ich habe sie
nicht auf fünf reduziert, wenn ich die weiteren Détails für wert hielt,
festgehalten zu werden. In diesen Fällen habe ich fünf Geheimnisse ausgewählt,
die mir besonders wichtig erschienen, und die übrigen eingeklammert. So kann
man wählen, ob man bei fünf Gesätzen bleibt oder mehr betet. Gegebenenfalls
ändern sich dann die Formulierungen, etwa wenn im zweiten Geheimnis auf das
erste sprachlich Bezug genommen wird („die Jünger“ – „sie“), dieses erste aber
als eines der eingeklammerten nicht gebetet werden soll. In diesem Fall ist die
alternative Formulierung in Klammern angegeben.
Alle
Rosenkränze zu den Sonn- und Festtagen im Kirchenjahr habe ich mit einem
passenden Versikel und der betreffenden Oration (Kirchen-/Tagesgebet) versehen,
um so dem Gebet einen liturgischen Abschluß zu geben.
Die Texte
der Orationen entsprechen für die gregorianische Ordnung dem des Römischen
Meßbuches von 1965 („Altarmeßbuch“), der einzigen amtlich-liturgischen Fassung
der Gebete des alten Missale in deutscher Sprache. Die Orationen in der
paulinischen Ordnung sind dem Römischen Meßbuch der aktuell gültigen deutschen
Fassung von 1975 entnommen.
Ottmarsbocholt
am Christkönigsfest 2009
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